Der am 18. April gestorbene österreichische Aktionskünstler Hermann Nitsch (1938 – 2022), ist am Samstag, 7. Mai 2022 am Nachmittag zu Grabe getragen worden. Pater Friedhelm Mennekes zelebrierte in der Kirche von Prinzendorf (NÖ) die Totenmesse auf Latein. Der Altar war mit einem Schüttbild des weltberühmten Künstlers geschmückt, Nitsch selbst in einem schlichten Holzsarg davor aufgebahrt. Unter den zahlreichen Gebinden befanden sich auch Kränze des Bundespräsidenten sowie der Niederösterreichischen Landeshauptfrau.

Die Abschiedsfeier, der Begräbniszug und die Beisetzung wurde zur letzten, beeindruckenden und bis ins Letzte durchgestalteten Aktion eines Künstlers, der orgiastische Elemente archaischer Rituale und die strengen Riten der katholischen Kirche in seiner Arbeit gleichberechtigt vereint hatte. Die Messgewänder (mit Journalist Michael Fleischhacker war auch ein prominenter Ministrant beteiligt) waren offenbar dem reichen diesbezüglichen Oeuvre von Nitsch entnommen und mit roter bzw. gelber Farbe bearbeitet.

Die Feier fand im engeren Kreis von Familie, Freunden und Kollegen statt. Unter den rund 150 Trauergästen waren Nöku-Chef Paul Gessl, das Sammler-Ehepaar Agnes und Karlheinz Essl, die Museumsdirektorin und Nitsch-Biografin Danielle Spera, die Galeristinnen Miryam Charim und Ursula Krinzinger und der niederösterreichische Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll.

Auf einer großen, mit Blumen reich geschmückten Stiertrage, einem Holzgestell, wie es als Aktionsgerät im Rahmen des „Orgien Mysterien Theaters“ immer wieder in Verwendung war, wurde der Sarg anschließend in einer Prozession von rund drei Dutzend Freunden (darunter dem Künstler Erwin Wurm) zum Schloss Prinzendorf getragen.

Das Schloss war von Nitsch 1971 angekauft und in der Folge restauriert worden. Es wurde zum wichtigsten Wohn- und Schaffensort des Künstlers, 1998 zum Aufführungsort seines 6-Tage-Spiels und nun zur letzten Ruhestätte. In einer in den vergangenen Tagen angefertigten einfachen Gruft im Schlosspark wurde der Künstler, der als Mitglied der Wiener Aktionisten begann, in der Folge Text, Musik, Malerei und Performance zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk verknüpfte und 83 Jahre alt wurde, seinem Wunsch gemäß zur letzten Ruhe gebettet. Die ersten beiden Tage des im Vorjahr coronabedingt abgesagten neuerlichen 6-Tage-Spiels sollen am 30. und 31. Juli heuer dennoch stattfinden.

Hermann Nitsch begann 1962 Furore zu machen mit einer dreitägigen „Blutorgel“-Performance zusammen mit Otto Muehl und Adolf Frohner, bei der im Finale ein Schaf über Kopf gekreuzigt und ausgeweidet wurde. Seine berühmten „Schüttbilder“, bei denen er Blut auf weiße Leinen goss, waren ebenfalls bereits Teil dieser Initiation in den Orden der Provokationskunst. Und von hier aus weitete Nitsch das Ritual im Bann des Todes immer weiter aus zu sakral anmutenden Mysterien, die in den Folgejahren große internationale Aufmerksamkeit erregten.

Hermann Nitsch wurde zunächst mit den anderen Wilden des Wiener Aktionismus 1966 nach London zum legendären „Destruction Art Festival“ von Gustav Metzger eingeladen, von wo aus seine streng nach Partitur organisierten Skandalaufführungen ein Echo vor allem in den USA fanden. In der intensiv mit performativen Formen der Kunst arbeitenden New Yorker Szene wurde Nitsch begeistert aufgenommen. Künstler wie Allan Karprow oder Carolee Schneemann arbeiteten hier mit ähnlich exzessiven körperbetonten Grenzüberschreitungen und Jonas Mekas lud ihn 1968 ein, in den USA seine Aktionen zu zeigen. Nitsch bezeichnete diese Reise als seinen „ersten wirklich großen Erfolg“. Ab 1971 war das Schloss Prinzendorf im österreichischen Weinviertel sein Bayreuth für das Gesamtkunstwerk Seelenreinigung. Der morbide Adelssitz, den seine Frau Beate für ihn gekauft hatte, wurde für die nächsten fünf Jahrzehnte das Zentrum von Nitsch Arbeit wie für seine Verehrung.
Manche mochten in dem Palast eher einen Tempel der Nitschanbetung sehen mit teils sektenhaften Zügen. Aber hier fanden eben auch die wichtigsten Aufführungen der „Orgien Mysterien Theaters“ (OMT) mit teilweise bis zu 500 Mitwirkenden, drei Orchestern und Chören statt.

https://www.derstandard.at/story/2000135528738/aktionskuenstler-hermann-nitsch-zu-grabe-getragen
https://apa.at/news/aktionskuenstler-hermann-nitsch-zu-grabe-getragen-2/
https://www.sueddeutsche.de/kultur/hermann-nitsch-kunst-oesterreich-nachruf-1.5568480

https://www.sn.at/kultur/bildende-kunst/nachruf-hermann-nitsch-gestorben-kein-schocker-sondern-ein-intensitaetssucher-120125074

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