Eine Referenzdatenbank für „typisch österreichisches“ Erbgut wollen mehrere Forschungseinrichtungen schaffen. Dazu soll das Genom von mehreren tausend Menschen in Österreich ausgelesen und für Forschungszwecke gespeichert werden. Die Koordination für das Projekt übernahm die Medizinische Universität Innsbruck.

Das menschliche Genom umfasst sämtliche Erbinformationen in einer Zelle. Vereinfacht gesagt ist das Erbgut wie ein Buch mit mehr als drei Milliarden Buchstaben. Bei jedem Menschen sind etwa fünf Millionen davon individuell unterschiedlich. „Genetische Veränderungen“ nennt das Humangenetiker Johannes Zschocke von der Medizinuniversität Innsbruck.
Veränderungen erklären Besonderheiten
Viele dieser Veränderungen hätten keine Bedeutung, so Zschocke. Manche würden Besonderheiten erklären, wie Körpergröße oder Haarfarbe und manche würden Krankheiten verursachen. Zunächst müsse man einmal wissen, was in Österreich normal sei. Dann könne man sagen, das sei normal oder das erkläre eine Besonderheit bei einem Menschen. So könne man auch vorbeugend handeln, um die Gesundheit länger zu sichern.

DNA, Erberkrankung, Genetik, Seltene Krankheiten, und Vererbungslehre
© Medizinische Universität Innsbruck/C. Simon
Infrastruktur für effiziente Genom-Erfassung
Für diese Referenzdatenbank wollen die Medizinuniversitäten Innsbruck, Graz und Wien sowie das Centrum für Molekulare Medizin das Erbgut von 2.150 Menschen in Österreich auslesen und speichern. Als Grundlage dafür baue man eine Infrastruktur auf, bei der man es schaffe, möglichst kostengünstig und effizient bei möglichst vielen Personen Genome zu lesen und auszuwerten.
So könne man sie für viele andere Fragen zur Verfügung stellen, so Zschocke, etwa für die Diagnose seltener Krankheiten oder die Charakterisierung von Tumoren. Aktuell laufen die Vorbereitungen, mit der Rekrutierung von Freiwilligen soll Ende 2025 begonnen werden.
Als ersten wichtigen grundlegenden Schritt baue man zunächst österreichweit eine „Genomanalyse-Infrastruktur“ auf, skizzierte der Direktor des Instituts für Humangenetik und des Zentrums Medizinische Genetik Innsbruck die Zielsetzung.
Ersten Genom-Sequenzierungen sollen möglichst viele weitere folgen
Folglich werde es dann, obwohl das noch „Zukunftsmusik“ sei, zunehmend darum gehen, diese Sequenzierungen „möglichst vielen Personen in ganz Österreich anzubieten“, erläuterte Zschocke sein ambitioniertes Vorhaben. „Je mehr Personen und Probanden wir haben, desto besser“, sagte er dazu, wollte sich aber auf keine konkrete Zahl festlegen. Klar zu definieren und zu fassen sei aber der Nutzen und Sinn hinter diesen Sequenzierungen: „Je mehr Analysen wir vornehmen, desto mehr können wir Rückschlüsse auf mögliche Erbkrankheiten ziehen.“
Bei solchen Sequenzierungen sei etwa bereits deutlich geworden, dass es im Tiroler Zillertal bei einigen Frauen eine Genmutation gebe, die das Brustkrebsrisiko deutlich erhöhe. „Es lässt sich deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass diese Frauen zu einem gewissen Prozentsatz im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkranken werden“, strich der Humangenetiker heraus. Je mehr „spezifische, regionale Analysen“ man kleinteilig in Österreichs Regionen durchführe, desto zielgerichteter und früher könne man auch bei anderen genetisch bedingten Krankheiten handeln, betonte Zschocke die Wichtigkeit eines möglichst breiten Samples.
Zusammenhänge von Genmutationen und Krankheiten im Fokus
Natürlich gelte bei solchen DNA-Erkenntnissen „nicht voreilige Schlüsse zu ziehen“, sondern Zusammenhänge etwa von Genmutationen und auftretenden Krankheiten genauestens mit Studien zu überprüfen und damit abzusichern. „Wir müssen aber den Blick darauf richten, welche genetischen Varianten in welcher Region gewissermaßen normal sind und welche von dieser Norm abweichen.“ Gebe es Abweichungen von „normalen Varianten“, müsse genauer hingesehen und auch Rückschlüsse gezogen werden, was Krankheiten betrifft, die damit verbunden auftreten könnten.
Und so würde der Ablauf solcher Untersuchungen laut Zschocke im besten Falle aussehen: „Ich stelle mir vor, dass beispielsweise eine Blutabnahme auch beim Hausarzt erfolgen kann und wir dann am Institut und den anderen Zentren in Österreich die Analysen und Sequenzierungen vornehmen“. Es brauche jedenfalls – neben möglichst vielen DNA-Daten und Studien – auch „interdisziplinäres Arbeiten“ und die Sicherstellung der genetischen Beratung. „Sehr wichtig ist außerdem die Niederschwelligkeit“, spielte der Mediziner etwa auf die Rolle der Hausärzte an.
Bei den involvierten Instituten und Zentren handle es sich wiederum um „keine Privatinstitute“, sondern man agiere im Netzwerk im Dienste der Öffentlichkeit und im Sinne der Gesundheit der Gesamtbevölkerung. „Nur auf diese Weise ist es möglich, die Genomanalyse so breit und so wirksam wie möglich in die Medizin zu bringen“, hob der Humangenetiker hervor.
Quellen: Tiroler Humangenetiker will „DNA Österreichs“ analysieren | Datenbank für österreichisches Erbgut – tirol.ORF.at