Das Jüdische Museum Wien eröffnete gestern die neue Ausstellung „Jedermanns Juden. 100 Jahre Salzburger Festspiele“. Die Schau widmet sich einer Rückschau auf 100 Jahre Salzburger Festspiele und der jüdischen Teilhabe am weltweit bedeutendsten Festival der klassischen Musik und darstellenden Kunst.

Direktorin und Kuratorin Danielle Spera begrüßte die Gäste der gestrigen Ausstellungseröffnung: „Max Reinhardt hatte Europa 1937 für immer verlassen. An die nationalsozialistischen Machthaber schrieb er: ‚Der Entschluss, mich endgültig vom Deutschen Theater zu lösen, fällt mir naturgemäß nicht leicht. Ich verliere mit diesem Besitz nicht nur die Frucht einer 37-jährigen Tätigkeit, ich verliere vielmehr den Boden, den ich ein Leben lang gebaut habe und in dem ich selbst gewachsen bin. Ich verliere meine Heimat.‘“

Sie hob hervor, wie jüdische Protagonistinnen und Protagonisten die ersten Jahre der Festspiele geprägt hatten und betonte neben den Gründungsvätern Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal auch die Teilhabe von Berta Zuckerkandl.

Kurator Marcus G. Patka und Kuratorin Sabine Fellner gaben in ihren Reden einen Überblick zur Ausstellung. Grußworte wurden von Andreas Fleischmann, Vorstandsdirektor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien AG und Michael Spiss, Raiffeisen Capital Management, gesprochen.

Michael Heltau las Erinnerungen von Max Reinhardt an die Salzburger Festspiele.

Die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler betonte in ihren feierlichen Grußworten zur Eröffnung: „Die Salzburger Festspiele bedanken sich beim Jüdischen Museum Wien für den wichtigen Beitrag, den dieses durch die Ausstellung zum 100 Jahr-Jubiläum geleistet hat. Die Salzburger Festspiele verdanken Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt und deren Überzeugung von der Kraft der Kunst ihre Existenz.“

Die Eröffnungsrede hielt Bundesministerin Karoline Edstadler: „Die Salzburger Festspiele haben sich tief in die DNA der Salzburgerinnen und Salzburger eingeschrieben. Dass die Gründung der Salzburger Festspiele auf jüdische Österreicherinnen und Österreicher zurückgeht, wurde jedoch lange – wie so vieles im Zusammenhang mit Österreichs NS Vergangenheit – unter den Teppich gekehrt. Ich freue mich, dass durch diese Ausstellung einmal mehr sichtbar gemacht wird wie stark jüdisches Leben die österreichische Geschichte und unsere Identität beeinflusst hat. Ich darf allen beteiligten für ihren Einsatz danken.“

Die anwesenden Gäste, u.a. israelische Botschafter Mordechai Rodgold, russische Kulturattaché Ageev Nikolaj, Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft Mario Mesquita Dompfarrer Toni Faber, Ewald Nowotny Cordula Reyer und Maria Rauch-Kallat zeigten sich begeistert von der umfangreichen Ausstellung im Museum Dorotheergasse.

Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung präsentierte der stv. ORF-Direktor für Technik, Online und neue Medien, Thomas Prantner, das „ORF-TVthek-Medienarchiv Judentum“: „Das ‚Medienarchiv Judentum‘, auf religion.ORF.at gelauncht und später in die ORF-TVthek integriert, war das allererste zeit- und kulturgeschichtliche Videoarchiv und wurde in hervorragender Zusammenarbeit zwischen ORF und dem Jüdischen Museum Wien mit TV-Beiträgen und Dokumentationen laufend erweitert. Dafür danke ich speziell Direktorin Danielle Spera und ihrem engagierten Team. Heute bietet das ‚Medienarchiv Judentum‘ eine umfassende audiovisuelle Gesamtschau der jüdischen Religion und jüdischen Lebens, beschäftigt sich mit dem Schrecken des Holocaust und des Antisemitismus und porträtiert berühmte Persönlichkeiten, wie David Ben-Gurion oder Teddy Kollek.“

Vor 100 Jahren setzte der Theaterproduzent und Visionär Max Reinhardt gemeinsam mit dem Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal seine Vision für Salzburg um. Sie erklärten die Stadt zur Bühne, inkludierten den Domplatz als Kulisse für den „Jedermann“ und katapultierten Salzburg dadurch von der Provinzialität in die internationale Kulturszene. Nachdem am 22. August 1920 die erste Aufführung über die Bühne ging, wurde Salzburg zum Inbegriff für innovatives Theater auf Freiluftbühnen, Musik in absoluter Perfektion und Tanz als Ausdruck der Avantgarde. Jüdische Künstlerinnen und Künstler wie der Dirigent Bruno Walter, der Opernregisseur Lothar Wallerstein oder die Tänzerinnen Margarethe Wallmann und Tilly Losch waren am Erfolg entscheidend beteiligt. Mit der Machtübernahme des NS-Regimes 1938 änderte sich die Situation schlagartig: Die jüdischen Künstlerinnen und Künstler wurden verbannt und vertrieben. Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler oder Karl Böhm übernahmen. Die Profiteure der NS-Zeit wurden nach 1945 nur für kurze Zeit gesperrt, danach kehrten sie als umjubelte Stars auf die Bühne zurück. Der gefeierte „Theatermagier“ Max Reinhardt starb vereinsamt im Exil in den USA. Heute gilt es, ihn und die vielen anderen jüdischen Protagonisten der Salzburger Festspiele wieder vor den Vorhang zu holen.

„Jedermanns Juden. 100 Jahre Salzburger Festspiele“ ist von 14. Juli 2021 bis 21. November 2021 im Jüdischen Museum Wien, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zur Ausstellung, die von Marcus G. Patka und Sabine Fellner kuratiert und von Fuhrer, Wien gestaltet wurde, erscheint ein Katalog zum Preis von 29,90 € im Residenz Verlag. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.

Weitere Informationen unter https://www.jmw.at/  oder unter info@jmw.at.

Quellen:

https://www.salzburgerfestspiele.at/

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