Aus Anlass der Erinnerung an das Kriegsende und die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 80 Jahren zeigt das Jüdische Museum Wien im Museum Judenplatz die Schau „Sag mir, wo die Blumen sind…“. Die Fotoausstellung widmet sich der europäischen Erinnerungskultur und jenen Spuren, die Schoa und Zweiter Weltkrieg bis heute in Landschaften, Gesellschaften und im kollektiven Gedächtnis hinterlassen haben. Acht Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges ist das Nachdenken über die Vergangenheit und ihre Nachwirkungen aktueller denn je.

Fußball spielende Kinder im Augarten, Wien, Österreich 2024 | © Roger Cremers

Ein fotografischer Blick auf das Erinnern

Der niederländische Fotograf Roger Cremers dokumentiert seit 2008 historisch kontaminierte Landschaften, ehemalige Kriegsschauplätze und Gedenkstätten in Europa – Orte der Erinnerung, in die sich die Spuren des Zweiten Weltkriegs und der Schoa auf unterschiedliche Weise eingeschrieben haben. Er geht der Frage nach, wie Nachkriegsgesellschaften im Spannungsfeld von Gedenken, Alltag, Tourismus und politischer Instrumentalisierung mit dem Erbe dieser Katastrophen umgehen. Seine Bilder stellen die Frage nach der Wirkung dieser Orte und spiegeln den ambivalenten Umgang heutiger Gesellschaften damit wider. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sie eine subtile Doppelbödigkeit.

Andrea Winklbauer, Kuratorin Jüdisches Museum Wien: „Es ist Cremers‘ großes Talent, wie alltäglich wirkende, in Wahrheit jedoch aberwitzige Konstellationen, Handlungen und Interventionen wahrzunehmen, die im Kleinen eines begrenzten Umfelds große Zusammenhänge sichtbar machen.“

Fotogallerie im Jüdischen Museum Wien

Die Ausstellung legt einen besonderen Fokus auf die Auseinandersetzung mit der Schoa in der Gegenwart. Roger Cremers hat 2024 im Auftrag des Jüdischen Museums Wien auch in Österreich fotografiert, darunter die KZ-Gedenkstätten Mauthausen, Gusen und Melk, die Euthanasie-Gedenkstätte Schloss Hartheim sowie mehrere Orte in Wien. Diese aktuellen Aufnahmen ergänzen die bisherige Serie und erweitern sie um österreichische Perspektiven der Erinnerungs(- und Verdrängungs)kultur.

Was bleibt? – Fragen an das Gedenken

Der Ausstellungstitel „Sag mir, wo die Blumen sind…“ ist an das gleichnamige Antikriegslied von Pete Seeger (1955) angelehnt, das in der deutschen Version, unter anderem interpretiert von Marlene Dietrich und Hildegard Knef, große Bekanntheit erlangte. Die beiden zentralen Fragen des Liedes – Was ist geschehen? Wann wird man je versteh’n? – können als Leitfragen der Ausstellung verstanden werden. Was bedeutet Gedenken achtzig Jahre nach Kriegsende? Welche Verantwortung tragen wir heute – in einer Zeit, in der Antisemitismus, Verschwörungstheorien, alternative Fakten und autoritäres Denken wieder zunehmen?

Besucher:innen in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Oświęcim, Polen 2008 | © Roger Cremers

Auschwitz – Zwischen Mahnmal und Fotomotiv

Cremers’ Fotografien zeigen nicht nur den Umgang mit der Vergangenheit, sie machen auch sichtbar, wie dieser von der Gegenwart geprägt ist. Er dokumentiert etwa Besucher in Auschwitz-Birkenau beim Fotografieren, Reenactments in historischen Uniformen oder ein Fast-Food-Restaurant in einem ehemaligen NS-Bau. Diese Beobachtungen werfen Fragen auf: Was suchen Menschen an Orten wie Auschwitz, Sobibor oder Mauthausen – und was finden sie dort? Wie erinnern wir? Was verdrängen wir? Und wie soll die Zukunft des Erinnerns aussehen?

Über den Fotografen Roger Cremers

Roger Cremers (*1972) ist ein niederländischer Fotograf, bekannt für seine eindringlichen Arbeiten zur europäischen Erinnerungskultur. Nach dem Studium an der Königlichen Akademie der Künste in Den Haag arbeitet er seit 1998 freiberuflich, u.a. für NRC HandelsbladDer SpiegelThe Guardian und El País.

Geboren in eine Bergarbeiterfamilie in Bingelrade, greift Cremers in seinem Werk historische und gesellschaftliche Themen mit dokumentarischer Präzision und kritischem Blick auf und zeigt dabei die Spannung zwischen den dunklen Kapiteln der Vergangenheit und ihrer heutigen Erinnerung auf. Ironie ist dabei nie weit entfernt. Für seine Reportage über Touristen in Auschwitz wurde er 2009 mit einem World Press Award ausgezeichnet.

Quellen: Jüdisches Wien: Neue Ausstellung „Sag mir, wo die Blumen sind…“ | Presse Detail | Jüdisches Museum Wien

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