Er war eine österreichische Kulturinstitution – Opernregisseur, Schauspieler und vor allem der ungekrönte König des gepflegten Humors: Am 9. Jänner starb Otto Schenk, der bis zuletzt mit Lesungen das Publikum erfreut hatte, im Alter von 94 Jahren in seinem Haus am Irrsee. Das gab sein Sohn Konstantin Schenk bekannt.

Jene Exzellenz, der er seine Popularität verdankte, erwarb er im schwierigsten Fach: dem Humor, den er zeitlebens sehr ernst nahm. Mit Wortwitz und – selbst in jungen Jahren – Lebensweisheit reklamierte er sich in die Herzen der Menschen, seit er unter Karl Farkas im Kabarett debütierte. Klassiker wurden die „Lacherfolge“ in Doppelconference mit Helmut Lohner und sein Requisiteursmonolog „Die Sternstunde des Josef Bieder“. Ein spätes Highlight war auch „Zu blöd, um alt zu sein“ mit Michael Niavarani. Selbst wenn nur seine Stimme zu hören war, brachte er das Publikum zum Lachen und berührte zugleich tief.
Seine Synchronisation des Animationsfilms „Oben“ mit österreichischem Idiom wurde viel beachtet. In der österreichischen Version des Disney-Films von 2009 lieh er dem liebenswerten Misanthropen Carl Federicksen seine Stimme. Damit gelang ihm in hohem Alter das Kunststück, auch bei den Jüngsten zu punkten. Ein anspruchsvolles Publikum, das ernst zu nehmen sei, so Schenk: Kinder, sagte er, solle man „nie für Trottel halten“. Für sie müsse man Geschichten besonders spannend erzählen.
Startschuss für ein Bühnenleben
Schenk, am 12. Juni 1930 in Wien geboren, war Sohn eines österreichischen Notars und einer italienischen Mutter, beide katholisch. Die Großeltern väterlicherseits waren zwar getauft, aber jüdischer Herkunft. Die Nazi-Rassengesetze stuften ihn daher als „Mischling“ ein, so entkam er dem Terror und überlebte die Zeit der Barbarei, wenn auch nur knapp. Nach der Matura an der Stubenbastei – einer seiner Kommilitonen war Friedrich Gulda – wechselte er nach zwei Semestern Rechts- und Staatswissenschaften an der Wiener Uni ans Max-Reinhardt-Seminar.
Seine Theaterkarriere begann in den 1950er Jahren im Theater der Jugend in Wien. Am Volkstheater und in der Josefstadt als Schauspieler, später auch als Regisseur aktiv, etablierte er das Theater des „Absurden“ mit Stücken von Samuel Beckett und Eugene Ionesco. Und er erwies sich früh als Meister jener Komödie, der Tragik innewohnt. Als Kabarettist trat er im Simpl auf. 1956 heiratete er die Kollegin Renee Michaelis, die er am Reinhardt-Seminar kennengelernt hatte – eine Verbindung fürs Leben, die nach über sieben Jahrzehnten durch Renee Schenks Dahinscheiden getrennt wurde. Sie starb nach langer Krankheit im April 2022.
Der gemeinsame Sohn Konstantin wurde 1957 geboren, im selben Jahr gab Otto Schenk sein Debüt als Opernregisseur mit Mozarts „Zauberflöte“ am Salzburger Landestheater.
Bockerer und Bernhard
Schenk spielte und inszenierte an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt: an der Wiener Burg und großen deutschen Bühnen ebenso wie an der Mailänder Scala. 30 verschiedene Opern allein an der Wiener Staatsoper, 15 an der Metropolitan Opera New York: „Ich weiß gar nicht, wann das war und wie man das überhaupt kann. Wenn man mich vorher gefragt hätte: ‚Willst du 30 Opern an der Staatsoper machen?‘, hätte ich ihn für wahnsinnig erklärt. Ich hab’s auch nicht geglaubt, bis man mir die Liste vorgelegt hat“, notierte Schenk in seiner Biografie „Ich bleib noch ein bissl“.
Für ihn sei Musik eine Sprache, oder – wie der Dirigent Nikolaus Harnoncourt zu sagen pflegte – Sätze, die komponiert werden, „nur halt in Tönen“, fasste er sein Credo in seinen Erinnerungen zusammen. Spielend begeisterte er im „Bockerer“, in „Der Bauer als Millionär“ und in Thomas Bernhards „Theatermacher“. Peter Turrini schrieb ihm Rollen auf den Leib: in „Josef und Maria“, „Grillparzer im Pornoladen“ oder „Liebe in Madagaskar“.
In den 1980ern war er zwei Jahre lang Direktoriumsmitglied bei den Salzburger Festspielen, 1988 bis 1997 Direktor an der Josefstadt. Er war Kammerschauspieler und Ehrenmitglied von Wiener Staatsoper und Theater in der Josefstadt, zum 80er wurde er „Bürger von Wien“.
Lachen gegen die Angst
„Die Kunst, zum Lachen zu bringen, ist Otto Schenk wie kaum einem anderen gegeben. Weil dieses Lachen aber mit dem geheimen Erkennen menschlicher Fehlbarkeit verbunden ist, lieben ihn die Menschen“, lautete im Jahr 2000 die Begründung für den „Nestroy“ für sein Lebenswerk. „Otto Schenk hilft ihnen, im Lachen für Augenblicke ihre Ängste aufzulösen. Und tröstet sie damit über eigenes Missgeschick, eigene Schwächen hinweg. So ist er zum populärsten Schauspieler Österreichs geworden.“
„Das größte Abenteuer“, hat Schenk einmal gesagt, sei „das Leben selbst“. Das Schrecklichste seien „Krieg und Verfolgung durch die Nazis“ gewesen und das Schönste, dass man das überlebt habe. Zu sehen, dass der Friede wieder eingekehrt sei.
Das Abenteuer ist gelebt, die Geschichte zu Ende erzählt. Zu ersetzen ist er nicht. Hinterlassen hat er viel. „Leben“, notierte er in seinen Erinnerungen, „tut man doch nur, solange man lebt. Und bleiben tut man manchmal länger, als man lebt. Und dann will ich auch nicht nur ein bissl bleiben, wenn ich nicht mehr lebe. Also bleib ich noch ein bissl.“
Nachruf der Salzburger Festspiele
„Mit dem Tod von Otto Schenk verliert die Theaterwelt eine ihrer größten Erscheinungen, einen Ausnahmekünstler, eine wirkliche Legende! Man konnte gar nicht anders als Otto Schenk zu lieben“, bekannte Intendant Markus Hinterhäuser in einer ersten Stellungnahme.
Beindruckende 237 Mal ist Otto Schenk zur Freude des Publikums bei den Salzburger Festspielen aufgetreten. Bereits 1950 stand er als junger Reinhardtseminarist, von Helene Thimig persönlich ausgewählt, als Mitglied der Tischgesellschaft im Jedermann erstmals auf der Festspielbühne.
Sieben Sommer lang, von 1978 bis 1982 und sowie 1991 und 1992, kehrte er auf den Domplatz zurück und gab den Teufel im Jedermann. 1987 begeisterte er das Festspielpublikum als Fortunatus Wurzel in Jürgen Flimms legendärer Inszenierung von Ferdinand Raimunds Der Bauer als Millionär. Zwei Jahre später brillierte er an der Seite von Gertraud Jesserer, Karl Merkatz und Louise Martini in der Rolle des Schnoferls in Johann Nestroys Das Mädl aus der Vorstadt.
Unvergessen sein letzter Auftritt 1996/97 in Peter Steins Inszenierung von Ferdinand Raimunds Der Alpenkönig und der Menschenfeind an der Seite seines Freundes Helmuth Lohner. Wie sich die beiden Antipoden damals die Maske des jeweils anderen überstülpten, wie also Lohner (Alpenkönig) als Schenk und Schenk (Rappelkopf) als Lohner einander gegenüberstanden, hat das Publikum zu Begeisterungsstürmen hingerissen.
„Mit der schwarzen Fahne, die heute am Festspielhaus weht, verneigen wir uns in Dankbarkeit vor Otto Schenks Lebenswerk und seinem Wirken für die Salzburger Festspiele“, erklärte das Festspieldirektorium.
Würdigungen für Otto Schenk
Vertreterinnen und Vertreter aus Kultur und Politik würdigten den Publikumsliebling Otto Schenk als einen der größten Schauspieler, den das Land je hervorgebracht habe, und für seine „Naturbegabung, die Herzen des Publikums zu erreichen“.
Josefstadt trauert
Der Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger, sagte gegenüber der APA, Schenk sei nicht nur ein wunderbarer Schauspieler, ein außergewöhnlicher Schauspiel- und internationaler Opernregisseur gewesen. Er habe zudem eine Naturbegabung gehabt, „die Herzen des Publikums zu erreichen und zu berühren. Sein Tod bedeutet einen unglaublichen Verlust nicht nur für die Josefstadt, sondern für die gesamte Theaterlandschaft.“
Quellen: 1930–2025: Otto Schenk ist tot – news.ORF.at | „Ausnahmekünstler“: Würdigungen für Otto Schenk – news.ORF.at | Salzburger Festspiele