Außenminister Schallenberg ist Interimskanzler

Diplomat und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) führt seit 11. Jänner zum zweiten Mal vorübergehend die Bundesregierung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat ihn „mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung“ betraut.

Angelobung Schallenbergs durch Bundespräsident Van der Bellen | ©Peter Lechner/HBF

Notwendig wurde dieser Schritt nach der Rücktrittserklärung von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und NEOS. Für Schallenberg, der auch Außenminister bleibt, ist es seine zweite Periode als Regierungschef. Nach dem Rückzug von Sebastian Kurz (ÖVP) hatte er 2021 knapp zwei Monate als Kanzler gedient, ehe die Volkspartei mit Nehammer die Rolle von Parteiobmann und Regierungschef wieder zusammenlegte.

Nehammer hatte am ersten Wochenende des neuen Jahres seinen Rückzug als ÖVP-Chef und auch als Bundeskanzler bekanntgegeben. Die ÖVP-Spitze hat der bisherige Generalsekretär Christian Stocker bereits geschäftsführend übernommen.

Stocker ist ein ÖVP-Urgestein. Bis 2019 war er in Wiener Neustadt aktiv, wo er auch eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt. Ab dem Jahr 2000 war er ÖVP-Obmann und Vizebürgermeister in Wiener Neustadt. 2019 wechselte der 64-Jährige in die Bundespolitik.

© ORF

Wie es dazu kam: NEOS stieg aus Koalitionsverhandlungen aus

NEOS hat am 3. Jänner in einer überraschend angesetzten Pressekonferenz das Ende der Koalitionsgespräche mit ÖVP und SPÖ verkündet. In einer ausführlichen Rede begründete Parteichefin Beate Meinl-Reisinger den Schritt mit mangelndem Reformwillen bei den Verhandlungspartnern ÖVP und SPÖ. Es seien „keine relevanten Fortschritte, sondern viel mehr Rückschritte“ in den Gesprächen erzielt worden.

Erstmals Regierungsbildungsauftrag für FPÖ

Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS und dann zwischen ÖVP und SPÖ hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 6. Jänner FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt – aus Respekt vor dem Wahlergebnis und aufgrund veränderter Rahmenbedingungen, wie er sagte. Ziel sei eine arbeitsfähige Bundesregierung. Für die heimische Politik ist es eine Zäsur. Die SPÖ warnte vor einem „radikalen Kürzungskurs“, für NEOS war der Schritt auf die FPÖ zu „unausweichlich“.

Regierungsbildungsauftrag an FPÖ-Chef Herbert Kickl | ©Peter Lechner/HBF

Van der Bellen verwies auf die geänderte Situation dadurch, dass die ÖVP nun doch bereit sei, mit der FPÖ auch unter Kickl über eine Koalition zu verhandeln. „Herr Kickl traut sich zu, im Rahmen von Regierungsverhandlungen tragfähige Lösungen zu finden“, so der Bundespräsident in seinem kurzen Statement, „und er will diese Verantwortung“.

Rückblick auf gescheiterte Gespräche

Nun gehe es um eine arbeitsfähige Bundesregierung, mit einer „robusten Mehrheit“ mit verlässlich mehr als 50 Prozent der Mandate im Nationalrat dahinter. ÖVP und SPÖ hätten nur über eine sehr knappe Mehrheit von 92 Mandaten im 183 Sitze zählenden Nationalrat verfügt, bei FPÖ und ÖVP wären es 108 Mandate.

EU-Defizitverfahren soll abgewendet werden

Die ÖVP trat offiziell in Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ ein. Das sei am 9. Jänner bei einem Gespräch der Parteispitzen vereinbart worden, teilten beide Seiten mit. Am 10. Jänner starteten bereits Verhandlungen über das Budget. Die ÖVP habe sich damit einverstanden gezeigt, dass für Österreich vor dem Hintergrund des bestehenden Milliarden-Budgetlochs ein EU-Defizitverfahren abgewendet werden soll, hieß es in einer FPÖ-Aussendung.

„In dieser ersten Runde wurde Einigkeit darüber erzielt, dass in einem ersten gemeinsamen Schritt die budgetären Rahmenbedingungen und Weichenstellungen geklärt werden müssen“, so FPÖ-Obmann Herbert Kickl: „Es wäre unlogisch und ineffizient, politische Details inhaltlich zu verhandeln, ohne klare budgetäre Leitlinien als Fundament dafür zu haben.“

Ein EU-Defizitverfahren will man abwenden. Ein solches Verfahren würde die ohnedies notwendige wirtschaftliche „Wiederaufbauarbeit“ für Österreich „politisch und maßgeblich erschweren“, wurde seitens der Freiheitlichen erklärt.

Budgetgruppe soll Grundsatzfragen klären

Es sei daher eine Budgetverhandlungsgruppe mit Vertretern beider Parteien eingerichtet worden. Diese tagte in Permanenz, um schnell diese Grundsatzfrage einer Klärung zuzuführen, so die Freiheitlichen, die am 29. September 2024 erstmals als stimmenstärkste Partei aus der Nationalratswahl hervorgegangen waren.

Kickl legte nach eigenen Angaben Wert darauf festzuhalten, dass „gemeinsame Verhandlungen von Anfang an auf einem festen und soliden budgetären Fundament stehen müssen. Die Bevölkerung muss wissen, woran sie ist. Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht auf Planbarkeit, Verlässlichkeit und Klarheit. Das ist unsere Herangehensweise an dieses Projekt ab dem ersten Tag. Wir wollen Österreich ehrlich regieren.“

Stocker pocht auf Eckpfeiler

Auch vom geschäftsführenden ÖVP-Obmann Christian Stocker kamen Festlegungen. „Für uns sind die wichtigsten Eckpfeiler die Souveränität Österreichs gegenüber Einflussnahmen aus dem Ausland, insbesondere Russlands, Österreich als verlässlicher Partner in der EU sowie unsere westliche liberale, rechtsstaatliche Demokratie“, erklärte er.

Experten-Kritik zu Sparplänen

Die am 16. Jänner präsentierten Sparpläne von FPÖ und ÖVP seien „einschneidend“ , das Ziel von 6,3 Milliarden könne man damit aber wohl erreichen. So lautet die erste Einschätzung des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr. Ähnlich sieht das der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin. „Für dieses Jahr kann man das EU-Defizitverfahren vielleicht abwenden“, sagte er. Beide Ökonomen verweisen aber darauf, dass es in den nächsten Jahren schwieriger werde.

Konjunktur als Fragezeichen

Beide Forscher räumen auch ein, dass es noch Unwegbarkeiten gebe. Seit der Herbstprognose habe sich die konjunkturelle Situation aber eher noch weiter eingetrübt, „sodass es Bedarf für Nachbesserungen während des Jahres geben könnte“, warnte Felbermayr.

Quellen:

Nehammer-Nachfolge: Schallenberg wird Interimskanzler – news.ORF.at

Gespräche beendet: NEOS steigt aus Koalitionsverhandlungen aus – news.ORF.at

Dreiergespräche geplatzt: FPÖ sieht sich in Kritik bestätigt – news.ORF.at

Regierungsverhandlungen: Die größten Knackpunkte – news.ORF.at

Stocker folgt Nehammer an ÖVP-Spitze – noe.ORF.at

Offen gegenüber FPÖ: ÖVP mit „180-Grad-Wendung“ – news.ORF.at

Van der Bellen entschied: Erstmals Regierungsbildungsauftrag für FPÖ – news.ORF.at

D: Mögliche FPÖ-Regierung gefährdet Geheimdienstaustausch – news.ORF.at

Nach Nehammer-Rücktritt: Weichenstellung bei Regierungsbildung – news.ORF.at

Experten: Sparpläne nach 2025 „deutlich schwieriger“ – news.ORF.at

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