Die österreichische Autorin Barbara Frischmuth ist tot. Sie starb am 30. März im Alter von 83 Jahren in Altaussee in der Steiermark. „Barbara Frischmuth war ein ganz besonderer Mensch. Ihr Blick auf die Welt war offen und feinfühlig, ihr literarisches Werk war von außergewöhnlicher Tiefe und Vielfalt“, würdigte die Leiterin des Residenz Verlags Claudia Romeder die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin, die auch als Übersetzerin arbeitete.

Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 in Altaussee geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg in Russland fiel, wuchs sie bei ihrer Mutter auf, die in Altaussee bis Mitte der 1950er Jahre das Parkhotel führte.
Die Lektüre von „Tausendundeine Nacht“ weckte ihr Interesse am Orient, am Fremden und Anderen. Nach dem Besuch des Gymnasiums bei den Kreuzschwestern in Gmunden, in Bad Aussee und zuletzt in Graz maturierte sie im Juli 1959. Sie ging danach nicht wie eigentlich vorgesehen an die Hotelfachschule, sondern ans Dolmetschinstitut in Graz, wo sie Türkisch und Ungarisch lernte und in Wien später Orientalistik studierte.
Mit eigenen Werken im Forum Stadtpark
Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen spiegelt sich in ihren Übersetzerarbeiten und in ihrem eigenen umfangreichen Werk ebenso wider wie in ihren internationalen Kontakten. Ein Stipendium führte sie 1960/61 erstmals in die Türkei, an die ostanatolische Universität in Erzurum. Nach ihrer Rückkehr las sie im Grazer Forum Stadtpark erstmals aus eigenen Werken.
Weibliche Lebenswelten im Zentrum
Noch bevor sie diese veröffentlichte, war sie als Übersetzerin tätig: 1967 erschien ihre Übersetzung des KZ-Tagebuchs der Siebenbürgerin und Jüdin Anna Novac. Ihren Romanerstling legte sie 1968 mit „Die Klosterschule“ vor, in dem Frischmuth die autoritären Strukturen eines Mädchengymnasiums beschrieb.
Nach ihrem hochgelobten Debüt und dem Roman „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“ (1973) erzielte die Autorin vor allem mit der „Sternwieser-Trilogie“ (1976–1979), in der sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten beschäftigte, und der „Demeter-Trilogie“ (1986–1990) Erfolge.
Auch aktuelle Politik verarbeitet
Der auf die Erzählung „Herrin der Tiere (1986) folgende Roman „Über die Verhältnisse“ (1987) konnte – mit einem Bundeskanzler als zentraler literarischer Figur – als Schlüsselroman gelesen werden, „Einander Kind“ (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen.
Neben Erzählungen, Essays, Hör- und Fernsehspielen erschienen u. a. die Romane „Die Entschlüsselung“ (2001), „Der Sommer, in dem Anna verschwunden war“ (2004), der Reiseroman „Vergiss Ägypten“ (2008) und 2012 schließlich „Woher wir kommen“. In ihren literarischen Gartentagebüchern wie „Fingerkraut und Feenhandschuh“ (1999), „Löwenmaul und Irisschwert“ (2003) und „Marder, Rose, Fink und Laus“ (2007) vereinte sie ihre schriftstellerische mit der gärtnerischen Passion.

Letzte Erzählungen erschienen vor wenigen Wochen
Frischmuths letzte Erzählungen erschienen Anfang Februar 2025 unter dem Titel „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“. In dem Buch führte sie ihre Expertise als Dichterin wie Gärtnerin zusammen. So unterschiedlich Frischmuths Helden aus der Tierwelt darin aussehen, so einhellig ist der Ansatz in den vier Erzählungen: In allen wird versucht, mit viel Fantasie den Gegensatz zwischen Mensch und Natur zu überwinden. Es ist der Traum einer friedlichen, auf gegenseitigem Verstehen fußenden Koexistenz, den Frischmuth hier in vielfältiger Weise spann.
Der Natur hatte sie sich auch in ihren 2021 in Buchform erschienenen Vorlesungen „NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ gewidmet. Kurz darauf erschien der Erzählband „Dein Schatten tanzt in der Küche“, in dem sie sich starken Frauen in ungerechten gesellschaftlichen Verhältnissen widmete. Ihr letzter Roman „Verschüttete Milch“ behandelte 2019 mit starken autobiografischen Bezügen eine Kindheit in Altaussee.
Zahlreiche Preise
Immer wieder erhob die Autorin ihre Stimme, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge und Kriege interkulturelle Beziehungen beherrschen oder Flüchtlingspolitik sich nicht als humanitäre Hilfe, sondern als Abschottung herausstellte. Frischmuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1972, den Anton-Wildgans-Preis 1973 und den Franz-Nabl-Literaturpreis 1999.
2005 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln gewürdigt, 2011 folgte das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2019 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und der Ehrenring des Landes Steiermark.
Werk der Verstorbenen gewürdigt
Die Politik würdigte Frischmuth. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte, mit Frischmuth habe Österreich eine seiner einfühlsamsten, aufmerksamsten Schriftstellerinnen verloren. Ihr Werk werde fester Bestandteil des literarischen Kanons bleiben.
Großes Bedauern äußerte Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ): „Mit Barbara Frischmuth verliert die österreichische Literatur eine weltoffene und empathische Autorin, deren literarisches Werk von einer besonderen Tiefe und einem breiten Spektrum geprägt ist.“
Quellen: 1941–2025: Barbara Frischmuth ist tot – news.ORF.at | Zum Tod von Barbara Frischmuth: Trauer um die „große literarische Stimme der Steiermark“ – Land Steiermark News Portal