Die Klimaökonomin Sigrid Stagl ist vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten als Österreichs Wissenschaftlerin des Jahres 2024 ausgezeichnet worden. Die Forscherin von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien sei eine „wesentliche Stimme der wissenschaftlichen Vernunft im öffentlichen Diskurs rund um Nachhaltigkeit und Klimaschutz“, so der Klub in seiner Begründung.

Am 7. Jänner überreichte der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten der Forscherin den Preis. Mit ihm wird Stagl für die Vermittlung ihrer wissenschaftlichen Arbeit zum Umgang mit dem Klimawandel, der Energiekrise und anderen zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen geehrt.

„Wissenschaft und Forschung sind unverzichtbar, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft meistern wollen – vom Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zum demografischen Wandel und zur Bildung“, zitierte der Klub die Umweltökonomin Stagl in einer Presseaussendung, in der die Preisträgerin auch auf die Notwendigkeit eines Klimaschutzministeriums hinweist.

Klima-Demo in Wien, Mai 2019 | © Christian Michelides

Klimapolitik muss „Teil der Wirtschaft“ sein

Stagl ist Ökonomin am Department für Sozioökonomie der WU Wien mit den Schwerpunkten nachhaltiges Arbeiten, ökologische Makroökonomie, integrierte Bewertungsmethoden und sozioökonomische Theorien des Handelns. Ihr empirischer Fokus liegt auf den Themen Energie und Nahrungsmittel.

Emissionshandel und CO2-Zertifikate, Energiewende, Gaskrise, Kreislaufwirtschaft – es gibt zahlreiche vieldiskutierte Themen, die sich um Stagls Arbeitsschwerpunkt, die nachhaltige Transformation der Wirtschaft, ranken. Das Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen und ein neues, nicht nur auf Wachstum ausgelegtes Wirtschaftssystem sei gestiegen, sagte die Professorin für ökologische Ökonomie im Interview mit der APA: „Ich beobachte, dass durchgehend die Message angekommen ist.“

„Es gibt natürlich manche Teile der Wirtschaft, wo man versucht, alte Geschäftsmodelle so lange wie möglich zu nutzen und damit Gewinne zu machen.“ Am anderen Ende des Spektrums stehe „eine Avantgarde“ – österreichische Innovatoren, „die wirklich Weltspitze sind“. Dazwischen zeige sich das breite Mittelfeld, wo sich aber auch einiges in Richtung Innovation tue. Dennoch, die gesamtgesellschaftlichen und vor allem auch politischen Reaktionen auf den dringend geforderten Systemumbau würden noch viele Wünsche offenlassen.

„Das Wichtigste wäre meines Erachtens, dass man Klimapolitik nicht als eigenen Bereich sieht, sondern als Teil der Wirtschaft, der Wettbewerbs- und der Industriepolitik“, so die 56-jährige Wissenschaftlerin: Innerhalb der physischen Grenzen wirtschaftlich erfolgreich zu sein erfordere, „dass man Klima- und Umweltagenden immer mitdenkt“.

„Low hanging fruits“ für Klimaschutz

Auch in Zeiten, in denen eine Budgetkonsolidierung im Zentrum stehe, müsse das nachhaltige Wirtschaften, „ein Zukunftsthema“ wie auch die Bildung, mitgedacht werden. „Es gibt aber ‚low hanging fruits‘“, so die Ökonomin: „Es gibt sehr wohl Möglichkeiten, wie man Klima- und Umweltpolitik betreiben kann, die nicht so teuer ist wie die Klima- und Umweltpolitik, wie wir sie in den letzten Jahren betrieben haben.“

Als Beispiele nennt die Forscherin die CO2-Besteuerung und das Abschaffen staatlicher Unterstützung für klima- und umweltschädliche Technologien. In der Literatur würden diese „klimakontraproduktiven Subventionen“ teilweise „als perverse Subventionen bezeichnet“. Ein weiteres Beispiel für eine Maßnahme, die „ganz, ganz wenig“ kostet, die „aber wirklich viel bringen“ kann, seien die – hierzulande besonders emotional diskutierten – Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr.

Es sind Optionen, die die Ökonomin schon oft öffentlich postuliert hat: „In meinem Bereich – wenn man wissenschaftliche Artikel liest und wenn man der Politik zuhört – gibt es sehr viel Potenzial, frustriert zu werden“, so Stagl: „Zum Glück bleibt es bei mir nicht lange hängen. Sondern ich versuche immer wieder, Gelegenheiten zu suchen, um dann hilfreich zu sein, das System voranzutreiben.“

„Klimaschutz ist weder Luxus noch Ideologie“

„Um die Zweigradgrenze nicht zu überschreiten, müssen die globalen Emissionen jährlich um sechs bis acht Prozent sinken“, betonte Stagl zudem in der Aussendung zur Preisverleihung: „Österreich braucht den Mut, diese Realität anzuerkennen und konsequent zu handeln. Klimaschutz ist weder ein Luxus noch eine Frage der Ideologie – er ist Basis für die langfristige Entwicklung der Menschheit und Schutz der Lebensgrundlage.“

Klimaschutz müsse außer Diskussion gestellt und von allen ökonomischen und politischen Akteuren und Akteurinnen priorisiert und konsequent umgesetzt werden, so die Wissenschaftlerin des Jahres 2024. Klima- und Umweltschutz sei eine Querschnittsaufgabe, die „Champions“ und Fürsprecherinnen und Fürsprecher brauche, „daher ist es wichtig, auch in der nächsten Bundesregierung ein Klimaschutzministerium zu haben. Ich hoffe, dass Klima- sowie Umweltschutz in den laufenden Regierungsverhandlungen den notwendigen Stellenwert erhalten.“

„Nimmermüde Vermittlerin“

In der Öffentlichkeit trete Stagl „als nimmermüde Vermittlerin ihrer Forschungsthemen auf“, so der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen in seiner Begründung: Die Umweltökonomin sei „in Österreich eine wesentliche Stimme der wissenschaftlichen Vernunft im öffentlichen Diskurs rund um Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Sie liefert in verschiedensten Medien und auf Veranstaltungspodien durchwegs fundierte und zugleich pointierte wissenschaftliche Einschätzungen.“

Die Forscherin, die aus dem niederösterreichischen Waldviertel stammt und als erste Person weltweit in ökologischer Ökonomie in den späten 1990er Jahren in den USA promovierte, engagiert sich für ihr Anliegen auch im Rahmen der „Scientists for Future“-Bewegung wie auch als Vertreterin in verschiedenen Gremien, etwa als Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank (OeNB).

Die nun erfolgte Auszeichnung zur Wissenschaftlerin des Jahres sei ihr „sehr wichtig“, so Stagl gegenüber der APA: Der im Jahr 1999 mit dem Preis ausgezeichnete Wirtschaftswissenschaftler und spätere WU-Rektor Christoph Badelt habe „in der Volkswirtschaftslehre die soziale Dimension in den Vordergrund gerückt“, sie versuche, zusätzlich die Umweltdimensionen in den Vordergrund zu rücken. „So gesehen kann man von der Fortsetzung einer Tradition sprechen“, so Stagl. Ökonomie brauche den gesellschaftlichen und natürlichen Kontext, „um gesellschaftlich relevante Empfehlungen gut abgeben zu können“.

Nachdem der Preis mit der Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl (2020) und dem Komplexitätsforscher Peter Klimek (2021) zweimal in Serie an Forschende aus dem Bereich der Coronavirus-Pandemie gegangen war, machte nun nach dem Umweltökologen Franz Essl (2022) und der Glaziologin Andrea Fischer (2023) zum dritten Mal in Serie eine Forscherin aus dem Bereich Umwelt- und Klimaschutz das Rennen – diesmal aus dem Blickpunkt der Wirtschaft.

Quelle: Auszeichnung: Sigrid Stagl ist Wissenschaftlerin des Jahres – science.ORF.at

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