Autor: Mag. Markus St. Bugnyár
Auslandsösterreicher des Jahres 2019
Verehrte Freunde!
Erlauben Sie mir bitte, aus gegebenem traurigem Anlass einige Gedanken mit Ihnen zu teilen, die gewiss auch darin begründet liegen, dass ich seit nunmehr beinahe 20 Jahren in jener Region lebe, die uns nun so viele Sorgen bereitet.
Gespalten waren wir schon vorher
Es ist also soweit. Wien wurde von einem islamistischen Attentat erschüttert. Dachten wir ernsthaft, derlei kann doch in unserem schönen, kleinen, für den globalen Terror unbedeutenden Österreich nicht passieren? Wer nur annähernd die Nachrichten verfolgt, weiß – auch ohne „Ich kenn da jemand bei der Polizei“ –, dass es viele gewaltbereite Extremisten im Land gibt: jüngst vermehrt Syrien-Rückkehrer und immer schon Dagewesene als Integrationsverweigerer.
Es war seit langem eine Frage des Wann, nicht des Ob.
Nun heißt es allerorten unisono: „Der Attentäter will unsere Gesellschaft spalten, unsere Werte angreifen.“ Uniform blitzt es hinter den MNS-Binden aus zahlreichen feuchten Augenpaaren: Jetzt erst recht lassen wir uns nicht spalten. Wir trauern gemeinsam, wir stützen einander, klopfen uns tröstend und ermutigend auf die Schultern.
In diesen Chor vermag ich nicht einzustimmen, aus zwei Gründen.
Zum einen: Wer gibt uns das Recht, den Toten und Verwundeten unsere verharmlosende Interpretation der Geschehnisse auf ihren geschundenen Leib zu drücken. Ihnen galt der Terror zuerst und konkret.
Zum anderen: Der Angreifer wollte töten, so viele wie möglich. Der Mörder findet Eingang in seinen Himmel, wir aber bereiten einander die Hölle mit der Frage: Wer ist schuld? Wie hätte man es verhindern können? Ein Entlastungsmechanismus, der am Thema vorbeigeht.
Wir spalten uns so selber.
Präziser: Unsere schon zuvor vorhandene Spaltung tritt deutlicher ans Licht. Linke und Rechte, Gute und Böse, Tolerante und Radikale, Alles-Versteher und Bornierte: Gibt es die erst seit letztem Montag? Für angriffige Extremisten ein Nebeneffekt. Wie kann man ernsthaft meinen, solche Anschläge würden einzig dazu dienen, uns, den Überlebenden, einen Spiegel unserer gesellschaftlichen Fehlentwicklungen (wohl gemerkt: auch noch nachträglich!) vorzuhalten?
Ein Attentat wie dieses spaltet unsere Gesellschaft nicht.
Ein Attentat wie dieses macht unsere Spaltung nur sichtbarer.
Den „Rechten“ liefert es einen Anlass ihre Parolen unverblümter in die Welt zu rufen, den „Linken“ die Möglichkeit von ihrem eigenen Unvermögen abzulenken. Schließlich wäre der Einzeltäter womöglich eine arme verführte Seele, zu spät verhaftet, zu früh entlassen, zu heiß gebadet. Alles, bloß kein strukturelles Problem einer vermeintlich offenen Gesellschaft, die sich selbst widersprechend im selben Atemzug für die Krone einer Schöpfung halten muss, auf die hin sich alle Neuhinzukommenden wie durch magische Hand lustvoll hechelnd selbst zu integrieren wünschen. Behauptet noch jemand ernsthaft, dass das irgendwo in Europa funktioniert hätte?
Weder Rechte noch Linke versuchen umfassend die Herkunftskulturen und Mentalitäten von Migranten zu verstehen.
Wozu auch, denn diese sollten sie ja hinter sich lassen.
Der Kulturkolonialismus des 21. Jahrhunderts kommt in Gestalt von Wertekursen, die gleichsam aus sich selbst heraus wirken sollten, auf dass es allen bislang Unzivilisierten wie Schuppen aus den Augen fallen möge, dass sie und ihre Vorfahren erst im Westen vollends Mensch werden könnten.
Es gibt eine Welt, die wir nicht verstehen und die ihrerseits mit uns (von wirtschaftlicher Interaktion zum wechselseitigen Vorteil) nichts zu tun haben will. In der Vergangenheit verteilten sich diese Welten hübsch auf verschiedene Kontinente und Länder. Heute verteilen sich diese Welten unschön auf verschiedene Bezirke derselben Stadt, Regionen desselben Landes.
Es gibt nun zwei Optionen:
A. Beide Welten verzichten auf alles, was den jeweils anderen provoziert oder gegen seine Überzeugung wäre. Aufeinander zu bewegen um den Preis der individuellen und kulturellen Identität. Derlei könnte uns leichter fallen, denn wir haben ohnehin viele Werte und Traditionen umgedeutet und vernachlässigt. Derlei führt aber unweigerlich zu einem Ungleichgewicht, denn unser Gegenüber wäre schneller im Ziel, ohne auch nur ansatzweise so viel aufgegeben zu haben wie wir. Am Ende diktiert er die Konditionen unserer Ergebung.
B. Die zweite Möglichkeit ist diese: Wir besinnen uns unserer Werte und Traditionen nicht nur theoretisch und leben sie so vor, dass sie als überzeugend, anziehend und nachahmenswert empfunden werden. Aktuell wüsste nämlich kaum ein selbstbewusster Migrant, was an unserer Lebens- und Handlungsweise so erstrebenswert sein soll, dass er seinen bisherigen Habitus auch nur ansatzweise hinterfragen müsste.
Europa mag wirtschaftlich stark sein, doch unser geistiges, unser humanes Fundament ist morsch. Das spüren und sehen wir selber.
Was außer Geld haben wir der restlichen Welt anzubieten? Wegen des Geldes wollen Migranten zu uns, nicht wegen unserer Überzeugungen. Solange sich noch nicht ganz herumgesprochen hat, dass wir gar keine ernstzunehmenden haben, haben wir noch eine Chance.
Der Herr stehe uns bei,
den Opfern gebe Er Frieden,
den Hasserfüllten, und damit meine ich nicht nur religiöse Fanatiker, Einsicht,
und auch den allzu-Selbstsicheren ein wenig Selbstkritik.
Ich grüße Sie herzlich, passen Sie auf sich auf!
Ihr stets dankbarer
Rektor Markus St. Bugnyár
Österreichisches Hospiz – Sozialfonds
AT43 1919 0003 0015 0125
(Bankhaus Schelhammer und Schattera)