Wenn ein Railjet der ÖBB vom Bahnsteig rollt, ertönt oft eine sanfte Tonleiter – eine akustische Besonderheit, die viele Fahrgäste der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) kennen. Doch was steckt hinter dieser „Railjet-Melodie“? Die Antwort liegt in der Technik – und einem unbekannten Programmierer mit dem Pseudonym „Big M“.

Die Technik hinter der Tonleiter
Beim Anfahren erzeugen bestimmte Lokomotiven der ÖBB – konkret die Modelle 1016 und 1116 der Baureihe Taurus – Töne, die wie eine Tonleiter klingen. Diese entstehen durch Frequenzen, die bei der Umwandlung von Gleichstrom in dreiphasigen Wechselstrom für die Fahrmotoren entstehen. Die steigende Frequenz bringt nicht nur die Räder in Schwung, sondern erzeugt im Motorraum hörbare Töne, die über den Bahnsteig hallen.
Die Tonfolge ist kein Zufall. Sie geht auf einen Siemens-Programmierer zurück, der die Frequenzen bewusst in Form einer Tonleiter anordnete. Der Mann, der unter dem Namen „Big M“ kommunizierte und mittlerweile verstorben sein soll, bleibt bis heute anonym. Weder Siemens noch die ÖBB kennen seine Identität. Laut ÖBB-Fahrzeugmanager Harald Tisch wollte er damit wohl eine angenehme Klangfolge für die Fahrgäste schaffen.
Theoretisch könnten die Lokomotiven auch andere Melodien spielen. Die Frequenzen sind bei der Anfahrt in einem gewissen Rahmen frei wählbar. So erklangen in der Vergangenheit bereits Ausschnitte der österreichischen Bundeshymne. Einer Anekdote zufolge soll bei einem Software-Streit sogar der Schlager „Wer soll das bezahlen?“ ertönt sein – allerdings ohne dokumentierten Beweis. Änderungen an den Melodien sind jedoch nur mit spezieller Siemens-Software möglich.

Welche Lokomotiven „singen“?
Aktuell „singen“ 332 der insgesamt 384 Taurus-Lokomotiven der ÖBB – konkret die zwischen 2000 und 2004 gelieferten Modelle 1016 und 1116. Ihr Nachfolger, der Taurus 1216, ist aufgrund neuer, energieeffizienter Stromrichter nicht mehr musikalisch. Unterscheiden lassen sich die Modelle äußerlich an der Zahl der Türen: Die musikalischen Lokomotiven haben eine Tür pro Seite, die späteren zwei.
Eine Taurus-Lokomotive bringt 10.000 PS auf die Gleise – genug, um einen Railjet von Wien nach Salzburg zu ziehen und dabei so viel Energie zu verbrauchen wie ein Einfamilienhaus in einem ganzen Jahr. Die Klangkulisse ist damit also lediglich ein Nebenprodukt dieser beeindruckenden Technik.
Quellen: Warum Railjets beim Beschleunigen „singen“ – noe.ORF.at | Pressefotos & Videos – ÖBB-Presse