Die Übergangsregierung von Kanzlerin Bierlein verwaltete das Land nach den Ibiza-Turbulenzen mit ruhiger Hand. Manch Minister setzte aber Initiativen.
Wien. Es war eine turbulente Episode in der Zweiten Republik: Das Ibiza-Video spülte im Mai 2019 die türkis-blaue Regierung hinfort, die daraufhin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebildete Übergangsregierung wurde im Nationalrat von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt am 27. Mai per Misstrauensvotum zu Fall gebracht. Dem historischen Novum folgte gleich eine weitere Premiere: Als erste Bundeskanzlerin Österreichs wurde Brigitte Bierlein am 3. Juni von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt.
Von Anfang an verstand sich ihre Bundesregierung als Übergangskabinett, das bis zur Bildung der nächsten Regierung Österreich verwalten soll. Man habe kein Programm abzuarbeiten, keine Wahlversprechen zu erfüllen oder auf tagespolitische Ereignisse zu reagieren, sagte Bierlein in ihrer Regierungserklärung im Nationalrat im Juni. Dafür aber gewährleiste ihre Regierung Stabilität und Sicherheit, kündigte die Bundeskanzlerin an.
Große politische Initiativen setzte die Übergangsregierung auch nicht, doch verwaltete sie das Land souverän bis zur Angelobung der nächsten Bundesregierung. Die Ministerkabinette waren in der Ära Bierlein dementsprechend deutlich kleiner als in Vorgängerregierungen. Die meisten Minister und Ministerinnen ihrer Regierung legten ihr Amt auch eher defensiv an, wobei es Ausnahmen gab. So trieb Innenminister Wolfgang Peschorn die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung voran und stellte das Projekt der „berittenen Polizei“, das von Herbert Kickl initiiert worden war, wieder ein.
Berichte hallten nach
Von Justizminister Clemens Jabloner blieben vor allem die Warnungen vor einem „stillen Tod der Justiz“ in Erinnerung. Er beklagte die mangelnde budgetäre Ausstattung der Justiz, in einem Wahrnehmungsbericht zeigte er die Baustellen auf. 55 Seiten mit Maßnahmen und Empfehlungen legte der Übergangsressortchef im November 2019 vor. Der Bericht wurde in der Ära Türkis-Grün mehrfach aufgegriffen, die Justiz erhielt danach auch tatsächlich mehr Mittel.
Ähnliches passierte auch im Verteidigungsressort: Minister Thomas Starlinger kritisierte offen die harten Sparjahre, denen das Bundesheer ausgesetzt war. In seinem Zustandsbericht schilderte er detailliert, woran es den einzelnen Abteilungen und Waffengattungen des Bundesheeres mangelte. Nach einer Trendwende für das Heer sah es zunächst unter Türkis-Grün nicht aus, jedoch wurde das Militärbudget infolge des Ukraine-Krieges dann doch aufgestockt. Bei den Planungen wurde auch Starlingers Zustandsbericht herangezogen. Bierlein selbst legte ihre Kanzlerschaft zurückhaltend an. In ihren 218 Tagen Amtszeit verwalteten sie und ihre Regierung das Land nach den Turbulenzen des Ibiza-Videos mit ruhiger Hand. In Umfragen wurde dieser Stil auch von den Österreichern goutiert: Dort erzielten Bierlein und die Übergangsregierung regelmäßig sehr gute Umfragewerte.
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