Eine sehenswerte Ausstellung im Wien-Museum Musa beleuchtet erstmals die NS-Kunstpolitik in Wien. Über 3000 Personalakten wurden dafür aufgearbeitet
Das Wiener Künstlerhaus, im Jahr 1938 nationalsozialistisch okkupiert und für den „Anschluss“ werbend.
Leopold Blauensteiner war Landesleiter der Wiener Reichskammer der bildenden Künste und schon seit 1932 illegales NSDAP-Mitglied.
Wien Museum
„Es gibt nur einen Adel, den der Arbeit.“ Der Spruch in altdeutscher Schrift ziert die Fassade eines Wohnblocks in Wien-Wieden, Ecke Operngasse und Faulmangasse. Das Relief darüber zeigt einen Handwerker, einen Bauern und einen Wissenschafter. 80 Jahre Witterung haben dem 1938 von Franz Kralicek geschaffenen Wandbild mit der nationalsozialistischen Losung nichts anhaben können.
Das damals allseits bekannte Hitler-Zitat hatte nicht einmal einer expliziten Namensnennung bedurft. Es ist nur eines von mehreren Kunst-am-Bau-Beispielen, die sich bis heute unkommentiert im öffentlichen Raum erhalten haben. Als propagandistische und „volkserzieherische“ Zeugnisse der NS-Kulturpolitik, die zuhauf in den Depots des Wien-Museums und anderen lagern, blieben sie von Kunsthistorikern weitgehend unbehandelt.
„Angesichts andächtig gefertigter Kitsch-Porträts des ,Führers‘ oder geklotzter Skulpturen arischer Pseudohelden“, sagt Matti Bunzl, Direktor des Wien-Museums, tat das vom kunsthistorischen Standpunkt aus wohl nicht unbedingt not. Ein Aspekt, der sich bei dem einen oder anderen Exponat bestätigt, das in der nun am Musa-Standort angelaufenen Ausstellung Auf Linie – NS-Kunstpolitik in Wien zu sehen ist.
Gewollter Depotcharakter
Ihre Gestaltung greift gezielt den Depotcharakter auf, um mit herkömmlichen ästhetischen Ansprüchen zu brechen.
Die Grundlage für die Schau bildete ein Forschungsprojekt zur Reichskammer der bildenden Künste Wien (RdbK), bei dem die Kuratorinnen Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber rund 3000 Personalakten wissenschaftlich aufarbeiteten. Als Standes- und Berufsvertretung, die sämtliche im März 1938 aufgelösten künstlerischen Berufsverbände ersetzte, war sie die mächtigste Institution zur politischen Lenkung des Kunstgeschehens.
NS-Propagandakunst
Gemäß dem Reichskulturkammergesetz von 1933 war die Kulturarbeit zu einer politischen Aufgabe erhoben worden, wobei jegliche Art von „individualistischer Note“ der Künstlerinnen und Künstler verhindert und damit „die ungehinderte Entfaltung des Kulturbolschewismus“ eingeschränkt werden sollte.
Die Mitgliedschaft war nicht optional, sondern Voraussetzung für jede künstlerische Berufsausübung. Wer aus politischen oder „rassischen“ Gründen abgelehnt wurde, hatte Berufsverbot. Exemplarisch dafür steht der Fall von Gustav Gurschner, einer von neun näher beleuchteten Einzelschicksalen.
Er galt als ein Exponent eines stark vom französischen Art Nouveau beeinflussten floralen, kapriziösen Kunsthandwerks. Seine Ehefrau, die Schriftstellerin Alice Gurschner, war jüdischer Herkunft.
Berufsausübung strengstens untersagt
Der Maler Leopold Blauensteiner, illegales NSDAP-Mitglied seit Juli 1932 und Leiter der RdbK-Wien, hatte ihm eine „durchschnittliche künstlerische Qualität“ attestiert. Dennoch fiel die politische Beurteilung negativ aus: „Damit ist Ihnen mit sofortiger Wirkung die weitere Berufsausübung als Bildhauer untersagt“, wurde Gurschner vom RdbK-Berlin informiert. Nachfolgende Interventionen hatten eine Überwachung seitens der Gestapo zur Folge.
Das Kultursystem, das die NS-Kunst propagierte und den Mitgliedern öffentliche Aufträge sicherte, war rigide und menschenverachtend. In der Geschichtsschreibung blieben die sieben Jahre der NS-Kulturpolitik bislang eher ausgeklammert. Die Namen der Akteure waren in Vergessenheit geraten. Insofern haben Holzschuh und Plakolm-Forsthuber wesentliche Pionierarbeit geleistet. Der Katalog zur Ausstellung verdient eine absolute Empfehlung.
Dass die eine oder andere bekannte Künstlerbiografie nun um unschöne Kapitel ergänzt werden wird, sei erwähnt. Bei Gustinus Ambrosi etwa, der sich nach 1945 als Opfer der NS-Kulturpolitik stilisierte, jedoch die Gunst Albert Speers und Hitlers genoss. Oder der mit Aufträgen des Kulturamtes der Stadt Wien förmlich überschüttete Franz von Zülow, der – zur Erweiterung seines Ateliers – die Wohnung „der Jüdin Martha Sarah Riemer“ beanspruchte und andere Hausbewohner denunzierte.
Als man die Reichskammer 1945 liquidierte, wurden die Personalakten an die Stadt Wien und in weiterer Folge an die neu gegründete Berufsvereinigung der bildenden Künste übergeben. Sie spielten im Zuge der unmittelbar nach dem Krieg einsetzenden Entnazifizierungsverfahren der Wiener Künstler und Künstlerinnen eine wesentliche Rolle. Nun wurde über die ehemaligen NSDAP-Mitglieder ein Berufsverbot verhängt.
Quellen:
https://www.wienmuseum.at/de/ausstellungen/aktuell/ansicht/auf-linie-ns-kunstpolitik-in-wien