Zum 25. Mal findet das Filmfestival Diagonale 2022 in Graz statt. Eröffnet wird die Jubiläumsausgabe mit Kurdwin Ayubs Spielfilm-Debüt „Sonne“ am 5. April in der Helmut-List-Halle. Einen Tag später feiert dann Ulrich Seidls Berlinale-Wettbewerbsfilm „Rimini“ seine Österreich-Premiere mit einer Gala.
Zum 25. Mal feiert die Diagonale die Vielfalt des heimischen Films in Graz. In einer Aussendung gab das Festival nun erste Details des Programms von 5. bis 10. April sowie den Eröffnungsfilm der Jubiläumsausgabe bekannt. Kurdwin Ayubs Spielfilmdebüt „Sonne“ feiert seine Österreich-Premiere auf der temporär größten Leinwand des Landes in der Grazer List-Halle. Die Welturaufführung der Seidl-Produktion findet demnächst bei der Berlinale in der experimentierfreudigen Schiene „Encounters“ stattfindet. Erzählt wird darin die Geschichte von drei Teenagerinnen, die im Hijab twerken und einen Popsong singen. Das macht sie unter kurdischen Muslimen und Musliminnen berühmt. „Sonne“ sei eine Geschichte von Rebellinnen, ein Film über „Jugendliche zwischen Social Media und Selbstfindung“.
„‚Sonne‘ ist ein Lichtblick – möglicherweise eine Zäsur – im (jungen) österreichischen Kino. Ein Spielfilm, der nur wenig mit jenen Filmen zu tun hat, die in den ersten 25 Jahren der Diagonale in Graz zu sehen waren. ‚Sonne‘ ist ein Kind seiner Zeit und bringt die Ästhetik einer Gegenwart, in der dem Kino längst etwas Nostalgisches anhaftet, auf die Leinwand: Das Hochformat des Smartphones und die schnellen Schnitte flüchtiger Social-Media-Storys schreiben sich in Ayubs selbstbewusst inszenierte Kinobildwelt ein“, erklären die Diagonale-Chefs.
Für bestehende Fans von Kurdwin Ayub ist ‚Sonne‘ wohl ein erstes Best-of, für Neugierige die Einladung, eine neue Handschrift im österreichischen Film kennenzulernen, für ihre Kritiker*innen die notwendige nächste Provokation – und für die Diagonale der beste Eröffnungsfilm, um nach 25 Jahren Diagonale in Graz in die Zukunft zu blicken“, erklären Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber. Für sie selbst ist es ihre vorletzte Diagonale als Leitungsteam.
Ayub, deren Dokumentarfilm „Paradies! Paradies!“ 2016 mit dem Preis für die beste Bildgestaltung ausgezeichnet wurde, ist mit ihren Werken ein Stammgast beim Festival in Graz. Zuletzt waren dort ihre Kurzfilme „Boomerang“ (2018) sowie „LOLOLOL“ (2020) zu sehen. Die 32-Jährige wurde 1990 im Irak geboren und lebt und arbeitet als Regisseurin und Drehbuchautorin in Wien. Von 2008 bis 2013 studierte sie Malerei und experimentellen Animationsfilm an der Universität für angewandte Kunst sowie performative Kunst an der Akademie der bildenden Künste, beides in Wien.
Erste Galapremiere
Einen Tag später kommt die List-Halle nach dem Vorjahr erneut für einen zweiten Abend zum Einsatz: für die erste Galapremiere der Geschichte. Zu sehen ist Ulrich Seidls neuer Film „Rimini“ über einen abgehalfterten Schlagerstar, der davor ebenso seine Welturaufführung im Wettbewerb der Berlinale feiern wird. „Seidls neues Opus Magnum ist von tiefer Romantik, ja Traurigkeit. Mag die Oberfläche auch noch so dreckig und pervers sein: Kaum war ein Film der Pathospraxis des Lebens so nah. Gerahmt vom letzten Kinoauftritt Hans-Michael Rehbergs, brilliert Michael Thomas als Sohn, Vater, Mann. Sein Leiden ist so echt und falsch wie seine Liebe. Sein Singen das einsame Selbstgespräch eines Losers“, heißt es im Begleittext der Berlinale. „Rimini“ ist damit ebenfalls erstmals in Österreich in Graz zu sehen, bevor er ab 8. April in die heimischen Kinos kommt.
Für den Wettbewerb darf ein starkes Spielfilmjahr erwartet werden. 110 Filme rittern im April in Graz um Diagonale-Preise. Und einer der Filmemacher, der die Diagonale 1998 mit Christina Dollhofer nach Graz brachte und leitet, stellt ebenso seinen neuen Film vor: Constantin Wulff. Der Dokumentarfilm „Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien“ begleite und beobachte unaufgeregt „die Wechselwirkung zwischen Institution und Gesellschaft.“
Filmemacher-Duo im Fokus
Die Reihe „Zur Person“ steht 2022 im Zeichen des Filmemacher-Duos Tizza Covi und Rainer Frimmel, deren betörender Dokumentarfilm „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ im Vorjahr mit dem Großen Diagonale-Preis Dokumentarfilm und damit zum insgesamt bereits vierten Mal in einer Hauptkategorie des Festivals ausgezeichnet wurde – nämlich für „Babooska“ (2005), „La Pivellina“ (2009) sowie „Der Glanz des Tages“ (2021). Weniger bekannt ist das fotografische OEuvre, das nicht nur als Vorstudie zu ihren Filmen gesehen werden muss, sondern eigenständigen Betrachtungsweisen und künstlerischen Konzepten folgt. Das gemeinsame Programm von Diagonale und Camera Austria markiert ihre erste umfassendere Werkschau. Die Fotoausstellung wird am 18. März um 18 Uhr eröffnet und ist bis 22. Mai 2022 in der Camera Austria zu sehen.
Das Festival hat pandemiebedingt schwierige Jahre hinter sich. 2020 wurde die Diagonale kurz vor dem ersten Lockdown abgesagt, 2021 wich man auf den Juni aus, um ein Festival in Präsenz zu ermöglichen. 2022 plant man eine Präsenzveranstaltung in Graz. Das komplette Festivalprogramm ist ab 25. März ab 13 Uhr online abrufbar. Der Ticketverkauf startet am 30. März. Alle Details finden Sie unter www.diagonale.at
Geschichte
Die Diagonale ist ein Filmfestival, das in den Jahren 1993, 1994 und 1995 in Salzburg stattfand und seit 1998 jährlich in Graz veranstaltet wird. Es versteht sich als umfassende Jahresfilmschau des österreichischen Filmschaffens, die alle Genres (Spielfilm, Dokumentarfilm, Kurzfilm, Avantgarde etc.) abdecken möchte. 2020 wurde die Veranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie online durchgeführt, 2021 fand sie vom 8. bis 13. Juni statt. Die 25. Ausgabe ist vom 5. bis zum 10. April 2022 geplant.
Die ersten drei Diagonale-Festivals wurden von der Austrian Film Commission jeweils Anfang Dezember in Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen in Salzburg veranstaltet. Intendant war 1993 und 1994 der Filmemacher Peter Tscherkassky und 1995 Heinrich Mis (damals Leiter der ORF-Sendung kunst-stücke). Nach einer Pause übersiedelte das Festival nach Graz. Der eigene Trägerverein „Forum österreichischer Film“ wurde 1998 unter der Leitung von Christine Dollhofer und Constantin Wulff gegründet, die bis 2003 dem Verein vorstanden. Neben den Filmvorführungen stehen auch Diskussionen, Publikumsgespräche und Ausstellungen auf dem Programm. Im ersten Jahr in Graz wurden einhundert Filme gezeigt und in drei Kategorien Preise vergeben. Ein Hauptpreis, ein Preis für Innovatives Kino und ein Nachwuchspreis. Später kam eine Reihe weiterer Preise hinzu. Im Jahr 1999 wurde erstmals auch ein Preis für den besten Schauspieler und die beste Schauspielerin vergeben, was jedoch erst 2008 das nächste Mal der Fall war.
Leitung Barbara Pichler
Von 2009 bis 2015 leitete die Kuratorin, Publizistin und Filmvermittlerin Barbara Pichler das Festival, die mit einer strafferen Programmierung und verstärktem Augenmerk auf internationale Branchenvernetzung das Festival als Vermittlungs- und Diskussionsplattform für das österreichische Kino etablierte. Ihr ursprünglich dreijähriger Vertrag wurde vom Trägerverein der Diagonale zunächst bis 2014 und später auf Pichlers eigenen Wunsch nur um ein weiteres Jahr bis 2015 verlängert. Die Intendanz der Diagonale ab dem Festival 2016 wurde Anfang April 2014 neu ausgeschrieben. Im November 2014 wurde bekannt, dass das Festival ab 2016 von den beiden Oberösterreichern Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber geleitet werden soll. Ab 2009 haben die beiden bereits das Internationale Jugend Medien Festival YOUKI gemeinsam geleitet.
Leitung Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber – seit 2016
Die Diagonale 2016 fand vom 8. bis 13. März statt und stand erstmals unter der Leitung von Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber. Die beiden setzten auf eine Balance zwischen Kontinuität und neuen Impulsen und verzeichneten mit 30.200 Besuchern einen neuen Rekord. Zwei neue Programmschienen, ein neues Erscheinungsbild, ein verstärktes Kooperieren mit lokalen Initiativen und Institutionen und ein eigener Festivaldistrikt trugen zur Erneuerung bei. Insgesamt wurden 158 Filme gezeigt, 107 davon im Wettbewerb. Eröffnet wurde das Festival mit der Weltpremiere von Mirjam Ungers Maikäfer flieg nach der Romanvorlage von Christine Nöstlinger. Die neue Reihe „Zur Person“ rückte die Produzentin Gabriele Kranzelbinder in den Mittelpunkt. Das provokant mit „Österreich: zum Vergessen“ betitelte historische Spezialprogramm widmete sich einer zentralen Phase österreichischer Film- und Zeitgeschichte: den Waldheim-Jahren. Vielfältige Bezüge innerhalb des Programms eröffnete die neue Festivalschiene „In Referenz“, im Rahmen derer US-Indie-Regisseur Matt Porterfield zu Gast war. Das Diagonale Film Meeting erarbeitete Strategien für mehr Gleichberechtigung und gesellschaftliche Diversität in Film und Fernsehen.
Quellen: