In einem Gutachten der staatlichen Akkreditierungsstelle üben Fachleute scharfe Kritik an der Universität. Die Zulassung für das Masterstudium Medizin solle „widerrufen“ werden

Moderne Gebäude, renommierte Professoren und ein klingender Name: Als die Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) im Studienjahr 2015/16 zum ersten Mal ein Medizinstudium anbot, war die Freude bei den Verantwortlichen groß. Das Studium laufe anders ab als an öffentlichen Unis, schwärmte Rektor Alfred Pritz damals bei einer Pressekonferenz. Bereits ab Studienbeginn sollten die Studierenden in Kontakt mit Patienten kommen und ein Schwerpunkt im Bereich der „Persönlichkeitsentwicklung“ liegen.

Knapp sieben Jahre später fällt eine Bewertung des Studiums allerdings ernüchternd aus – so sehr, dass die Wiener Privatuniversität ihre Berechtigung für das Masterstudium Humanmedizin verlieren könnte. Das geht aus einem Gutachten der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ) hervor, die in Österreich für die Zulassung von Privatunis zuständig ist. Expertinnen und Experten empfehlen darin, der Uni die Akkreditierung für das Studium zu widerrufen.

Das Gutachten ist vorläufiger Natur, die Entscheidung trifft das Board der AQ Austria in den nächsten Monaten. Die SFU hat nun die Möglichkeit, die Kritik in einer Stellungnahme zu entkräften. 

SFU Wien Foto: Pixabay

Wenig Personal, wenig Praxis

Konkret bemängeln die Expertinnen und Experten, dass der Personalstand nicht erhöht worden sei, obwohl sich die Studierendenzahlen verdreifacht hätten. Viele Lehrende seien zudem nicht hauptberuflich an der Uni tätig, sondern nebenbei in Krankenhäusern und Ordinationen beschäftigt, was dazu führe, dass etwa „Kleingruppenunterricht am Krankenbett für die Vielzahl an Studierenden der Privatuniversität nicht systematisch möglich ist“. Das sei aus Sicht der „Gutachter*innen insofern verwunderlich, da die Privatuniversität auf ihrer Website explizit den frühen Kontakt zu Patient*innen bewirbt“. Die Uni kooperiert zwar mit mehreren Kliniken, das „Fehlen einer ausgewiesenen (Universitäts-)Klinik“ mache es aber schwierig, die geforderten Kriterien zu erfüllen.

Abweichung vom Standard

Die SFU stellte ihren jüngsten Antrag auf Zulassung der gesamten Uni bereits im Jahr 2020, das bisherige Verfahren dauerte allerdings länger als geplant. Zum einen habe die Pandemie das Verfahren verzögert, gleichzeitig seien aber auch die Unterlagen der SFU durch eine „Reihe von Inkonsistenzen, Unklarheiten und Widersprüchen“ gekennzeichnet gewesen, schreiben die Expertinnen und Experten. Seit Sommer 2022 liegt nun das Gutachten des Gremiums vor.

Um ihre Akkreditierung als gesamte Universität zu behalten, müsse die SFU, die neben Medizin unter anderem Psychotherapie, Psychologie und Rechtswissenschaften lehrt, in den nächsten zwölf bzw. 24 Monaten insgesamt 51 Auflagen umsetzen. Das Gutachten räumt zwar ein, dass die Uni bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt habe, mit Herausforderungen umgehen zu können. Die hohe Anzahl an Auflagen stelle in ihrer Gesamtheit jedoch eine „große strukturelle und auch finanzielle Herausforderung für die Privatuniversität“ dar.

Kaum Kritik üben die Gutachterinnen und Gutachter aus Österreich, der Schweiz und Deutschland an den Studiengängen Psychologie und Rechtswissenschaft. Schlecht stehe es dagegen um das Masterstudium Humanmedizin. Die dortigen Probleme bei Personal, Forschung und Infrastruktur werden als so schwer eingeschätzt, dass sie in den vorgegebenen Fristen „nicht behebbar“ seien. Die Fachleute empfehlen der AQ Austria daher, der Uni die Akkreditierung für den Studiengang zu „widerrufen.“

Entscheidung offen

Das Gutachten dient als Grundlage für die Entscheidung über die Akkreditierung. Die SFU hat wie erwähnt die Möglichkeit, die Kritik in einer Stellungnahme zu entkräften. Sollte die AQ Austria der SFU die Zulassung für den Medizinmaster tatsächlich widerrufen, müsste die Uni das Studium einstellen. Allerdings könnte die Uni Beschwerde gegen den Bescheid einlegen, sagt Rechtsanwalt Stefan Huber, Experte für Hochschulrecht. Bis das Verwaltungsgericht entschieden hat – in der Regel dauert das zwischen sechs und zwölf Monaten –, dürfte der Lehrbetrieb weiterlaufen.

In der Zwischenzeit könnte die Uni ein überarbeitetes Konzept vorlegen und einen neuen Antrag auf Akkreditierung stellen. Ob die Uni das Studium in diesem Fall durchgehend aufrechterhalten kann, ist laut Huber allerdings fraglich, weil Akkreditierungen normalerweise neun Monate dauern. Für Studierende, die sich bereits mitten in der Ausbildung befinden, gäbe es aber die Möglichkeit eines „teach out“, erklärt Huber. Damit könnten die rund 600 Studierenden, die sich bereits im Master befinden oder jetzt beginnen, fertig studieren.

Kooperation mit der Steiermark

Brisant ist das Verfahren auch deshalb, weil die Steiermark seit diesem Jahr mit der Uni zusammenarbeitet, um Ärztinnen und Ärzte in der Region zu halten. Von den 200 bis 220 Humanmedizinplätzen, die die SFU jährlich anbietet, sind drei Jahre lang 20 für ein Stipendienprogramm des Landes reserviert.

„Eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung erfordert hervorragend ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner“, ließ die Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) in einer Presseaussendung im Februar verkünden. Von 24. Februar bis 5. April 2022 lief das Aufnahmeverfahren. Die Studierenden verpflichteten sich dabei, für mindestens zehn Jahre in der Steiermark zu praktizieren. Die Opposition übte scharfe Kritik an der Kooperation, weil der Auftrag an die SFU ohne öffentliche Ausschreibung vergeben wurde. 

Quellen:

https://www.derstandard.at/story/2000139017314/nach-kritik-von-fachleuten-sigmund-freud-privatuni-droht-ende-des

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2161472-Sigmund-Freud-Uni-koennte-Zulassung-fuer-Medizinstudium-verlieren.html

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