Antisemitismus: Stadt bekennt sich zum Umgang mit Lueger-Denkmal
Bis 2023 plant die Stadt Wien eine künstlerische Umgestaltung. Ein Total-Abriss des Denkmals ist vom Tisch.
Mittlerweile ist es eher ein Mahn- als ein Denkmal. 20 Meter ragt die Bronzestatue auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz in der Inneren Stadt in Wien in den Himmel. Das bemerkenswerte daran: Das Denkmal huldigt einem Bürgermeister mit antisemitischen Zügen.
Wien kündigt „künstlerische Kontextualisierung“ an
In die Frage des Umgangs mit dem Karl-Lueger-Denkmal kommt Bewegung. Denn die Stadt hat nun eine Grundsatzentscheidung getroffen, wie es mit der Statue für den früheren Wiener Bürgermeister und bekennenden Antisemiten (1844-1910) weitergehen soll. Demnach wird es eine „künstlerische Kontextualisierung“ geben, wie Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gegenüber der APA und in einem Kolloquium zum Lueger-Denkmal ankündigte.
Was das genau heißen soll, ist noch völlig offen. Denn die entsprechende Ausschreibung, die vom stadteigenen KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) abgewickelt wird, wird erarbeitet und wohl erst im Herbst 2022 fertig sein. Kaup-Hasler rechnet damit, dass erst 2023 das Siegerprojekt von einer Jury prämiert und danach mit der Umsetzung begonnen werden kann.
Warum aber die lange Vorlaufzeit? Es müssten einerseits die technischen Voraussetzungen genau geklärt werden, führte die Stadträtin ins Treffen. Das betrifft nicht nur etwa Fragen der Statik – unter dem Denkmalstandort verläuft die U-Bahn -, sondern vor allem, welche Art von Eingriffen im Einklang mit dem Denkmalschutz stehen. Von diesem Ergebnis hänge auch ab, ob und inwiefern Sockel und Statue selbst bei einer künstlerischen Umgestaltung des Komplexes angegriffen werden dürfen. Die Prüfung müsse penibel erfolgen, „denn sonst würden wir zig Einreichungen bekommen, die technisch gar nicht umsetzbar wären.
Kein Abriss
Das Lueger-Denkmal sorgt seit längerem für Kontroversen
Das insgesamt 20 Meter hohe Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit mehr als 15 Jahren für Diskussionen. Lueger war berüchtigter Antisemit und ein Idol Adolf Hitlers. Jetzt soll langsam Bewegung in die Sache kommen: Immer wieder wurde von Kritikern eine Umgestaltung oder gar Entfernung gefordert. Seit dem Vorjahr ist das umstrittene Bauwerk mit dem Wort „Schande“ besprüht.
Die Stadt hatte im Mai zu einem Runden Tisch mit rund 40 Teilnehmern geladen, um die unterschiedlichen Positionen und Stakeholder zusammenzuführen. „Interessant war, dass am Ende klar wurde, dass die Extrempositionen nicht möglich sind“, sagt Kaup-Hasler. Den „Vertretern der Cancel Culture“ sei klar geworden, „dass es nicht zum Ziel führt, das Denkmal einfach wegzuräumen. Sprich der Ist-Zustand nicht belassen werden kann, aber ein Total-Abriss auch nicht in Frage kommt.
Fraglich ist, welche Eingriffe im Einklang mit dem Denkmalschutz stehen. Der gesamte Prozess soll eine Art internationaler Prototyp dafür sein, „wie eine Stadt mit so einem Denkmal umgehen kann“.
„Schande“-Schriftzug bleibt vorerst
Bis es an die Umsetzung geht, ist für Kaup-Hasler eine Art künstlerische Zwischennutzung am Standort denkbar. Man überlege, über den KÖR ein bis zwei temporäre Projekte auszuloben.
Der „Schande“-Schriftzug am Sockel wird vorerst dort belassen – zumindest diesen Winter. Denn eine chemische Reinigung würde nur die ohnehin schon angegriffene Substanz weiter beschädigen. „Ich habe auch keine Lust, Steuergeld zu verschwenden, dass wir es putzen, sanieren und zwei Tage später ist es wieder beschmiert“, erklärte die Wiener Kulturstadträtin. Viele am Symposium – auch Kaup-Hasler – äußerten sich über den jetzigen Zustand des Denkmals positiv. Wenngleich nicht perfekt, würden die Beschmierungen auch die Geschichte des Widerstands gegen das Denkmal miterzählen. Außerdem sei es wahrscheinlich, dass die Statue erneut beschmiert werden würde.
Skeptisch bleibt Sashi Turkof von der Jüdischen HochschülerInnenschaft (Joeh), die sich beim Symposium klar für eine Entfernung des Denkmals ausgesprochen hatte: Dass nach so langer Zeit etwas passiert, sei für alle Jüdinnen und Juden in der Stadt begrüßenswert, aber in der Entscheidung für die Kontextualisierung sieht Turkof eine „absichtliche Enthaltung“. Das Nichtentfernen sei auch eine Entscheidung, die die Gefahr birgt, den jetzigen „Bezugspunkt für Rechtsextreme“ zu erhalten. „Auch ich bin Künstlerin und vertraue in diesem Punkt nicht alleinig auf die Kraft der Kunst“, sagte sie zum STANDARD.
Reaktionen der Parteien
Nach der Ankündigung von Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ), meldeten sich am Montag auch andere Parteien zu Wort. Die Grünen forderten die Entfernung der Statue. „Lueger wird an unzähligen Orten der Stadt in Form von Platzbenennungen, Denkmälern, Obelisken und Brückennamen verehrt. Das einzige, was einfach entfernt werden könnte – nämlich die Statue Karl Luegers – bleibt fix bestehen“, so Kultursprecherin Ursula Berner.
Zufriedener mit den Plänen Kaup-Haslers zeigte sich die ÖVP. „Dass man im Zusammenhang mit dem Lueger-Denkmal nun den Weg der künstlerischen Kontextualisierung geht, ist durchaus zu begrüßen. Eine Absage an jede Form der ‚Cancel Culture‘ war für uns von enormer Wichtigkeit, um die erforderliche sachliche Betrachtung zu gewährleisten“, hielten der Dritte Landtagspräsident Manfred Juraczka und Markus Figl, ÖVP-Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, in einer gemeinsamen Aussendung fest.
Die FPÖ wiederum forderte die Einbeziehung der Gemeinderäte in die Debatte. Der blaue Kultursprecher Stefan Berger stieß sich zugleich an der Entscheidung der Stadträtin, den „Schande“-Schriftzug auf dem Denkmal vorerst bestehen zu lassen.
Lueger-Platz bleibt
Unangetastet bleibt wohl der Name des Platzes, auf dem die Statue steht. Auch als möglicher zweiter Schritt sei eine Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Platzes „schwierig“, sagte Kaup-Hasler am Sonntag. So mancher am Symposium sprach von einer „typisch österreichischen Lösung“, die allermeisten zeigten sich aber erfreut, dass nach Jahrzehnten Bewegung in die Sache kommt. Kaup-Hasler sprach von einem „unglaublichen Sturm“ gegen derartige Schritte und verwies auf einen Gemeinderatsbeschluss, der die Umbenennung von Straßen oder Plätzen nur in Ausnahmefällen vorsehe.
Quellen:
Lueger-Denkmal – Wien kündigt „künstlerische Kontextualisierung” an (apa.at)
Antisemitismus: Stadt bekennt sich zum Umgang mit Lueger-Denkmal | kurier.at